Realisierung des 1. Preises eines Plan-Gutachterverfahrens zur Weiterentwicklung des Theaterplatzes und eines Theateranbaus für die Stadt Aschaffenburg in Arbeitsgemeinschaft mit dem Büro Scheffler + Partner aus Frankfurt am Main
3. Bauabschnitt, Fertigstellung 2011
AUFTRAGGEBER
Stadt Aschaffenburg
„Das Aschaffenburger Stadttheater nimmt unter den Theaterbauten seiner Zeit eine Sonderstellung ein: Während Theater im frühen 19. Jahrhundert in der Regel als Brennpunkte des gesellschaftlichen Lebens das Stadtbild prägen und ihre aufwendigen Fassaden von der wirtschaftlichen und kulturellen Leistungsfähigkeit ihrer Bauherren künden, begnügt sich das Aschaffenburger Theater mit einem Bau im Hof des ehemaligen Deutschen Hauses, der von außen nicht einsehbar ist. Lediglich der hinter der Bühne liegende Redoutensaal öffnet sich mit seiner fein proportionierten fünfachsigen Fassade zum Karlsplatz hin. Dieser Redoutensaal bildet allerdings eine weitere Besonderheit des Theaters. Für Feste und Bälle konnte er mit der Bühne und dem Parkett zu einer großen, durchgehenden Fläche zusammengeschlossen werden.
Der dreigieblige Renaissancebau in der Schloßgasse diente bis zum Zweiten Weltkrieg als Eingangshalle, Foyer und Theaterrestaurant. 1944 wurde er bis auf das Kellergewölbe zerstört. Nur der letzte Renaissancegiebel an der Theatergasse blieb bei dem Luftangriff verschont. Auch der Zuschauerraum und der Bühnenbereich trugen schwere Schäden davon. Trotzdem wurde fast unmittelbar nach dem Krieg der Spielbetrieb wieder aufgenommen. Das Dach war damals nur notdürftig gedeckt, das Foyer befand sich noch unter freiem Himmel und das Kassenhäuschen stand für sich allein an der Schloßgasse. Dieses Provisorium dauerte bis zum Jahre 1960. Erst dann wurde auf den Grundmauern des zerstörten Deutschen Hauses ein neues eingeschossiges Foyer gebaut. In ihm waren auch alle notwendigen Zusatzräume, wie Kasse, Garderobe und Erfrischungsraum, untergebracht. Der ehemalige Redoutensaal wurde aufgegeben und diente fortan als Hinterbühne und Kulissenlager.
Dieser Nachkriegsbau gab 50 Jahre lang den Rahmen für eine lebendige Theaterszene ab. Doch obwohl immer wieder Reparaturen vorgenommen und technische Standards angepasst wurden, war der Sanierungsstau im Laufe der Zeit unübersehbar geworden. Das enge Foyer und die fehlende Gastronomie wurden durchaus als Mangel empfunden. Die Stadt entschloss sich deshalb zu einer „großen Lösung“, bei der neben der Neuordnung des städtebaulichen Umfelds auch das Theater selbst entscheidend verbessert werden sollte.
Bei der Gestaltung des Baukörpers standen zwei Aspekte im Vordergrund: Die Erweiterung musste sich ohne Brüche in die Umgebung einfügen. Außerdem sollte die wechselvolle Geschichte des Theaters an den Fassaden ablesbar bleiben.
Durch die Aufstockung an der Schloßgasse wurde Raum für ein zweites Foyer geschaffen, das besonders von den oberen Rängen gut zu erreichen ist. Mit dem vorhandenen Foyer im Erdgeschoss ist es über eine breite Treppe verbunden. Zum Theaterplatz hin ist eine Dachterrasse vorgelagert. Von dort führt eine Freitreppe nach unten. Dadurch ist das Restaurant jederzeit frei zugänglich und kann unabhängig von Theater betrieben werden.
Die Fassade des alten Foyers wurde erhalten. Mit ihr soll die Aufbauleistung der Nachkriegsgeneration und deren formale Vorstellungen gewürdigt werden. Nach einer intensiven Diskussion entschloss man sich auch zur Wiederherstellung des nördlichen Renaissancegiebels. Er soll die Erinnerung an das zerstörte Deutsche Haus wachhalten. Seine Proportionen und das ornamentale Schmuckwerk konnten von dem rückwärtigen Giebel übernommen werden. Es herrschte breite Übereinstimmung darüber, dass sich alle neuen Bauteile in ihrer Formensprache auf die heutige Zeit beziehen sollten.
Das eigentliche Kernstück der Erweiterung bildet die neue Fassade zum Theaterplatz. Das ausladende Vordach schafft eine geschützte Zone vor den Eingängen und überdeckt auch einen Teil der Dachterrasse. Das Restaurant selbst nimmt im Obergeschoss fast die gesamte Breite ein. Nur vor der Konche des ehemaligen Redoutensaales entsteht eine Orangerie, in der die Oleander und Olivenbäume vom Theaterplatz überwintern können.“
(Auszug aus der Festschrift anlässlich des 200-jährigen Jubiläums des Stadttheaters, Ernst-Ullrich Scheffler, Wolfgang Lautenschläger)